Donnerstag, 5. Oktober 2017

Persönlichkeitstheorie - Psychodynamische Persönlichkeitstheorien: Dynamische Aspekte: psychosexuelle Entwicklungsphasen

Die Instanzen Es, Ich, Über-Ich bilden sich in den Entwicklungsphasen. Freud beschreibt sie in seiner Lehre von der Entwicklung der Libido, von den psychosexuellen Entwicklungsphasen. Es geht um eine Beschreibung des Beginns und der Entfaltung kindlicher, jugendlicher Sexualität. Sexuell ist dabei gleichzusetzen mit genital, sondern bezeichnet Aktivitäten, die körperliche Lust entwickeln. Während dieser Entwicklung erstreben unterschiedliche Partialtriebe Lustgewinn an unterschiedlichen erogenen Körperzonen, sie vereinigen sich erst später zu einem Gesamttrieb. - Freud unterscheidet fünf Hauptabschnitte: orale, anale, phallistische, latente, genitale Phase.

In der ersten, der oralen Phase (etwa im ersten Lebensjahr), ist es die Mundzone, welche Lust gewährt. "Das erste Organ, das als erogene Zone auftritt und einen libidinösen Anspruch an die Seele stellt, ist von Geburt an der Mund. Alle psychische Tätigkeit ist zunächst darauf eingestellt, dem Bedürfnis dieser Zone Befriedigung zu schaffen. Diese dient natürlich in erster Linie der Selbsterhaltung durch Ernährung... Frühzeitig zeigt sich im hartnäckig festgehaltenen Lutschen des Kindes ein Befriedigungsbedürfnis, das ... unabhängig von Ernährung nach Lustgewinn strebt und darum sexuell genannt werden darf und soll".

Instanzen-Bildung: Vom Objekt der Mutterbrust hebt sich der Säugling allmählich als Subjekt ab; die Anfänge des Ichs wurzeln in Unterscheidungserlebnissen.

In der zweiten, der analen Phase (etwa von zweiten bis zum dritten Lebensjahr), wird der Anus zur erogenen Zone. Die Ausscheidung wird als lustvoll erlebt, ebenso die willkürliche Beherrschung des Sphinktermuskels, reizvermehrend kommt hinzu die Nachbarschaft der Genitalzone. - In diese Zeit fällt die Sauberkeitserziehung. Dabei sieht sich das Kind mit der Anforderung konfrontiert, zu lernen, wie es Befriedigung abschieben und Kontrolle über triebhafte Bedürfnisse gewinnen könne.

Instanzen-Bildung: In "Abgeben" und "Zurückhalten" verstärken sich Ich-Funktionen, nämlich willkürliche Muskelkontrolle, Orientierung an der Mitwelt, Realitätskontrolle. (Die Ich-Funktion entfalten sich in zwei Richtungen: Das Ich kontrolliert die Realität, aber das Ich wird auch durch die Realität kontrolliert; in ein und demselben Vorgang wird Autonomie erlernt, aber auch Anpassung eingeübt.)

In der nächsten, der phallischen Phase (etwa vom vierten bis zum sechsten Jahr) entwickelt sich das Genitale zur erogenen Leitzone. Entscheidend wird für beide Geschlechter der Phallus, das erigierte männliche Glied. Für den Junge äußert sich die Besitzfreude im Penisstolz, beim Mädchen die Mangelerfahrung im Penisneid. - In dieser Phase entwickelt sich der Ödipuskomplex: verschieden für Junge und Mädchen.

Den Namen entlehnt Freud jener griechischen Sage, nach der Öpidus seinen Vater Laios, König von Theben, getötet und seine Mutter Jokaste geheiratet hatte. Von Öpiduskomplex spricht Freud schon in der "Traumdeutung". Den Sachverhalt entdeckte der in der Selbstanalyse: Jeder Junge ist einmal ein Öpidus, der die Mutter als Partnerin begehrt und den Vater als  Rivalen töten will.

Der Junge erlebt die Mutter als Libido-Objekt, den Vater als Autorität, der den Besitzt des Objektes verbietet. Lösen kann sich dieser Konflikt, indem sich der Junge mit seinem Vater identifiziert und auf diesem Umwege die Mutter besitzen darf. Wird der Öpiduskomplex nicht auf diese Weise bewältigt, sondern verdrängt, entwickelt sich eine neurotische Störung.

Das Mädchen erlebt die ödipale Situation umgekehrt. Sein Liebesobjekt ist der Vater: Weil es sich auch den Penis wünscht (Penisneid), begehrt es den Besitzer eines solchen Organs, den Vater, und lehnt die Mutter als Rivalin um die Aufmerksamkeit des Vaters ab. Durch Identifikation mit der Mutter kann es dem Vater näher kommen.

Instanzen-Bildung: die Identifizierung mit dem Vater (beim Jungen), mit der Mutter (Beim Mädchen) gegründet im Ich das Über-Ich, nämlich "die andere Person" als "Teil der eigenen Person". Ein Stück der Außenwelt wird durch Identifizierung ins Ich aufgenommen, wird Bestandteil der Innenwelt. Diese neue Instanz, das Über-Ich setzt die Funktionen fort, welche die Person der Außenwelt (die Eltern) ausgeübt haben - beobachtet das Ich, bedroht es mit Strafen, bedenkt es mit Lo, gibt also die Linie des Sollens vor und bewertet jede Abweichung von dieser Linie.

Der Phallischen Phase folgt die Latenzphase (etwa vom sechsten bis zwölften Lebensjahr). Sexual- und Aggressionstriebe treten zurück, werden sublimiert, die frei gewordene Energie wird umgelenkt auf den Erwerb vom Wissen. Libido wird von einer Person auf die Idee oder sachliches Objekt verschoben. Diese Versachlichung, eine Desexualisierung, ist der Grund, warum Freud von Latezphase spricht. Die Sexualität verschwindet nicht etwa aus dem Leben, aber die Manifestationen verringern sich.

In der Latenzphase geschieht zweierlei: Erstens die Sexualität wird im Leben sublimiert. Zweitens, der Ödipuskomplex wird zerstört und aufgehoben. Wird der Ödipuskomplex nur verdrängt, dann wirkt er vom Unbewussten her weiter und wird zum Kern vieler (oder sogar aller) Neurosen.

Zugrunde geht der Ödipuskomplex am Kastrationskomplex (richtiger wohl: an der Kastrationsandrohung): Während der Junge fürchtet, der Vater als Rivale könnte ihm den Penis nehmen, stellt sich das Mädchen vor, der Penis sei ihm entfernt worden, darum wünscht es, ihn zurückzubekommen. "Während der Ödipus-Komplex des Knabens am Kastrationskomplex zugrundegeht, wird der des Mädchen durch den Kastrationskomplex ermöglicht und eingeleitet". So bald das Mädchen den Penismangel auf unaufhebbar erkannt hat, gleitet die Libido in eine neue Position - längs der Gleichung "Penis=Kind". Es gibt den Wunsch nach einem Penis auf und setzt an seine Stelle den Wunsch nach einem Kind. Kompensiert wird das Fehlen des Penis dann, wenn die Frau ein Kind zur Welt bringt, besonders wenn es ein Junge ist.

Zum Abschluss kommt die Libidogenese in der genitalen Phase (identisch mit der Pubertät). "Mit dem Eintritt der Pubertät setzen die Wandlungen ein, welche das infantile Sexualleben in seine endgültige normale Gestaltung führen sollen. Der Sexualtrieb war bisher vorwiegend autoerotisch, er findet nun das Sexualobjekt. Er betätigte sich bisher von einzelnen Trieben und erogenen Zonen aus, die unabhängig voneinander eine gewisse Lust einziges Sexualziel suchten. Nun wird ein neues Sexualziel gegeben, zu dessen Erreichung alle Partialtriebe zusammenwirken, während die erogenen Zonen sich zum Primat der Genitalzone unterordnen. Da das neue Sexualziel den beiden Geschlechtern sehr verschiedene Funktionen zuweist, geht deren Sexualentwicklung nun weit auseinander. Die des Mannes ist die konsequentere, eine Art Rückbildung auftritt. Die Normalität des Geschlechtsleben wird nur durch das exakte Zusammentreffen der beiden auf Sexualobjekt und Sexualziel gerichteten Strömungen, der zärtlichen und der sinnlichen, gewährtleistet, vor denen die erste in sich fasst, was von der infantilen Frühblüte der Sexualität erübrigt. Es ist wie der Durchschlag eines Tunnels von beiden Seiten her". Diese Phase dauert bis in das Erwachsenenalter hinein, bis zur Vollendung der Sozialisation.

Resümee zur Instanzenbildung: (1) In der oralen Phase hebt sich vom "Objekt" der Mutterbrust der saugende Säugling allmählich als Ich ab. - (2) In der analen Phase verdeutlichen und verstärken sich in "Abgabe" und "Rückhalt" die Ich-Funktionen als willkürliche Muskelkontrolle und als Orientierung an der Mitwelt, als "Realitätskontrolle". (3) Die Identifizierung mit dem Vater und der Mutter begründet im Ich das Über-Ich nämlich die andere Person als Teil der eigenen Person, die das Sollen steuert. (4) In der Latenz- und in der genitalen Phase gewinnen Ich und Über-Ich schärfere Konturen. Dabei gehen auch "Ansprüche" der Gleichalterigen und der Lehrer oder andere "Vorbilder" mit in das Über-Ich ein und erweitern so seinen Machtbereich.

Charakterprägung während der Entwicklungsphasen

Um von einer Phase erfolgreich in die nächste weiter zu gehen, muss eine Person jeweils einen zureichenden Lustgewinn erzielt haben. So muss ein Kind, das von der oralen in die anale Phase gelangen soll, von seiner mutter eine optimale Menge oraler Befriedigung erhalten haben. Hat es zu wenig oder zuviel Lustgewinn erreicht, so können zwei Konsequenzen eintreten. Fixierung oder Regression.

Wenn das Kind beispielsweise nicht genügend orale Befriedigung erhält, neigt es dazu, an der oralen Phase haften zu bleiben (Fixierung). Ein solcher Mensch kann später orale Chraktermerkmale entwickeln; übermäßige Befriedigung durch Essen, Rauchen, Trinken. Er könnte zuviel reden oder verbale Aggression äußern. - Erlagt ein Kind nicht genügend anale Befriedigung, so könnten sich später Eigenschaften entwickeln wie extreme Ordnungsliebe und Zwanghaftigkeit oder das genaue Gegenteil: Unordentlichkeit (Fixierung auf die anale Entwicklungsphase).

Wenn jemand in einer bestimmten Phase zu viel Befriedigung erhält, könnte er in seinem späteren Lebensalter Verhaltensweisen wieder aufnehmen, die typisch waren für die Phase, in der er verwöhnt wurde (Regression).

Auf diese Weise können die einzelnen Entwicklungsstufen ein Individuum für das ganze Leben prägen.

Kennzeichnet man die Prägungen nach den einzelnen Phasen, so ergeben sich drei Charaktere:
- Oraler Charakter: still, selbstbezogen, im Neurosenbild schizoid, depressiv;
- Analer Charakter: ordnentlich, sparsam, geizig, trotzig, pedantisch, ehrgeizig, im Neurosenbild zwanghaft;
- phallischer Charakter: kämpferisch, freiheitsdurstig, rücksichtlos, im Neurosenbild hysterisch.

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