Dienstag, 3. Oktober 2017

Persönlichkeitstheorie - Psychodynamische Persönlichkeitstheorien: Struktureller Aspekt

Psycholodynamische Persönlichkeitstheorien betonen: Menschliches Verhalten wird vorrangig bestimmt durch unbewusste Antriebe. Als Vertreter Psychodynamischer Theorie sind u.a. Freud, Adler, Jung, Erikson, Murray bekannt.

Das Konzept des Unbewussten haben Freud, Adler, Jung benutzt zur Erklärung der Seelenvorgänge, sie haben es neu gefasst und immer wieder umformuliert. Erfunden haben sie das Konzept jedoch nicht.

6 Sigmund Freud.:Psychoanalyse


Freuds Lehre heißt Psychoanalyse. Diese Bezeichnung schließt wenigstens drei Behauptungen ein:

(1) Psychoanalyse bezeichnet eine psychologische Methode, also Verfahren zur Untersuchung psychischer Vorgänge wie Träume, Handlungen, Reden

(2) Psychoanalyse bezeichnet eine bestimmte Form der Psychotherapie, also eine Methode zur Behandlung psychischer Störungen, die sich auf die psychologische Untersuchung stützt.

(3) Psychoanalyse bezeichnet ein ganzes System, nämlich die Gesamtheit der psychologischen und psychopathologischen Theorien von Freud, durch welche die Ergebnisse der Untersuchungsmethoden und der psychotherapeutischen Methoden systematisiert werden.

Freud benutzte im wesentlichen drei Informationsquellen:

(1) klinisches Fallmaterial, notiert nach den Sitzungen mit den Klienten
(2) autobiographisches Material (Vor allem aus der Selbstanalyse)
(3) Erscheinungsweisen, Verhaltensweisen, die er erhoben hat
- aus (alltäglichen) Beobachtungen,
- aus Sprichwörtern, Mythen, Märchen, Liedern,
- aus klassischer Dichtung und Trivialliteratur,
- aus ethnographischem Material.

Unsere Darstellung der Psychoanalyse orientiert sich an dem "Abriss der Psychoanalyse", einer Schrift, die Freud 1938 begonnen hat, aber nicht mehr abschließen konnte. Wir bilden fünf Teilkapitel, wir behandeln:
- strukturelle Aspekte: Es, Ich, Über-Ich
- dynamische Aspekte: Die Trieblehre,
- genetische Aspekte: Die psychosexuellen Entwicklungsphasen,
- therapeutische Aspekte: "Psychoanalyse" als Heilmethode,
- Entwicklungen über Freud hinaus.

Struktureller Aspekt - der Seelische Apparat

"Wir nehmen an, dass das Seelenleben die Funktion eines Apparates ist, dem wir räumliche Ausdehnung und Zusammensetzung aus mehreren Stücken zuschreiben, den wir uns also ähnlich vorstellen wie ein Fernrohr, ein Mikroskop u. dgl. "(Freud). Der seelische Apparat lässt sich aufgliedern in drei "Instanzen": in Es, Ich und Über-Ich. (Freud spricht auch von drei "Provinzen").

Das Es

Das Es ist die älteste Instanz des Individuums, das ganze Leben hindurch auch wichtigste. "Die älteste dieser psychischen Provinzen oder Instanzen nennen wir das Es; sein Inhalt ist alles, was ererbt, bei Geburt mitgebracht, konsitutionell festgelegt ist, vor allem also die aus der Körperorganisation stammenden Triebe, die hier einen ersten uns in seinen Formen unbekannten psychischen Ausdruck finden" (Freud)

Den Ausdruck "das Es" führt Freud 1923 ein, in dem Werk "das Ich und das Es". Den Terminus übernimmt er von Georg Groddeck, der ihn seinerseits von Nietzsche übernommen hat. Bei Nietzsche bedeutet der grammatikalische Term "Es" das Unpersönliche, das Naturnotwendig in menschen Wesen.

Das Es repräsentiert den energetischen Anteil einer Person. Seine "Inhalte" sind psychischer Ausdruck der Triebe, diese Inhalte bleiben unbewusst: Zum Teil sind sie angeboren, zum Teil erworben aus Verdrängungen.

"Das einzige Streben dieser Triebe ist nach Befriedigungen, die von bestimmten Veränderungen an den Organen mit Hilfe von Objekten der Außenwelt erwartet wird. Aber sofortige und rücksichtslose Triebbefriedigung, wie sie das Es erfordert, würde oft genug zu gefährlichen Konflikten mit der Außenwelt und zum Untergang führen. Das Es kennt keine Fürsorge für die Sicherung des Fortbestandes, keine Angst, oder vielleicht sagen wir richtiger, es kann zwar die Empfindungselemente der Angst entwickeln, aber sie nicht verwerten. Die Vorgänge, die an und zwischen den supponierten psychischen Elementen in uns durch bewusste Wahrnehmung in unserem intellektuellen und Gefühlsleben bekannt sind, auch gelten für die nicht die kritischen Einschränkungen der Logik, die einen Anteil dieser Vorgänge als unstatthaft verwirft und rückgängig machen will".

Was meint Freud, wenn er von den sogenannten Primär - und Sekundärvorgängen spricht?

Der Primärvorgang ist mit dem Es gegeben, er begleitet menschliche Erfahrung das ganze Leben hindurch mit. Er funktionierit überwiegend bildhaft, orientiert sich nicht an den Regeln der Syntax oder der Logik, kennt kein Zeitgefühl.

Der Sekundärvorgang dagegen entwickelt sich allmählich während der ersten Lebensjahre, er kennzeichnet die Funktionen des reifen Ichs. Er arbeitet überwiegend mit Begriffen, orientiert sich an den Regeln der Syntax oder der Logik und ordnet Begriffe und Vorstellungen am Zeitablauf.

Resümee zum Es: Das Es ist ein Sammelbegriff für:
- alles, was ursprünglich und archaisch ist,
- alles, was von innen drängt und treibt,
- alles, was in der Körperkonstitution gründ: alle Bedürfnisse;
- alles, was unbewusst und unpersönlich ist, einschließlich der Verdrängungen.

Nicht zum Es gehören:
- moralische Wertungen,
- Fürsorge und Angst.

Das Ich

Ursprünglich umfasste das Es alle Funktionen des Organismus, dann gliederte sich eine Einzelfunktion aus."Unter dem Einfluss der uns umgebenden realen Außenwelt hat ei Teil des Es eine besondere Entwicklung erfahren. Ursprünglich als Rindenschicht mit den Organen zur Reizaufnahme und den Einrichtungen zum Reizschutz ausgestattet, hat sich eine besondere Organisation hergestellt, die von nun an zwischen Es und Außenwelt vermittelt. Diesem Bezirk unseres Seelenlebens lassen wir den Namen des Ichs"

Dies ist eine Ableitung der Genese des Ichs: es ist ein adaptiver Apparat, ausgegliedert vom Es im Kontakt mit der Umwelt.

Es gibt eine andere Ableitung, nach der das Ich ein Ergebnis von Identifizierung ist. In der Identifizierung mit der Mutter, in der Identifizierung mit dem Vater bildet sich das Ich als Subjekt aus: Das Ich erlebt sich als eigenständiges Handlungszentrum, es hebt sich von den anderen Personen als ein selbstständiges Subjekt ab. Diesem selbstständigen Subjekt wendet das Ich einen Teil seiner Liebe zu - es handelt sich um eine Form der  Selbstliebe, um den sogenannten "Narzismus"

Insofern bezeichnet das "Ich" zwei Funktionssysteme:
- Das Ich ist eine psychologische Instanz in Abhebung von Es und Über-Ich
- Das Ich ist ein Subjekt im Gegenüber zu anderen Personen, die ihm als "Objekte" gegenüberstehen

Freud setzt das Ich weitgehend mit dem Bewusstsein gleich, aber nicht vollständig. Das Ich ist nicht bruchlos vom Es getrennt. Pointiert gesagt - es ist die differenzierteste Form des Es. Darum besitzt das Ich auch eine unbewusste Komponente, die sich bei der Analyse zeigt, wenn der Patient Verdrängtes nicht äußern kann, weil er Widerstand aus dem Ich empfindet, ohne ihn benennen zu können. "Wir haben im Ich selbst etwas gefunden, was auch unbewusst ist... das heißt, starke Wirkungen äußert, ohne selbst bewusst zu werden."

Das Ich hat Beziehungen zur Außenwelt und zur Innenwelt.

Nach Außen gilt: "Infolge der vorgebildeten Beziehung zwischen Sinneswahrnehmung und Muskelaktion hat das Ich die Verfügung über die willkürlichen Bewegungen. Es hat die Aufgabe der Selbstbehauptung, erfüllt sie, indem es nach außen die Reize kennenlernt, Erfahrungen über sie aufspeichert (im Gedächtnis), überstarke Reize vermeidet (durch Flucht), mäßigen Reizen begegnet (durch Anpassung) und endlich lernt, die Außenwelt in zweckmäßiger Weise zu seinem Vorteil zu verändern (Aktivität).

Nach innen gilt: Das Ich behauptet sich "nach innen gegen das Es, indem es die Herrschaft über die Triebansprüche gewinnt, entscheidet, ob sie zur Befriedigung zugelassen werden sollen, diese Befriedigung auf die in der Außenwelt günstigen Zeiten und Umstände verschiebt oder ihre Erregungen überhaupt unterdrückt".

Resümee zum Ich: Das Ich betrifft:
- die Wahrnehmungsvorgänge
- die willkürliche Motorik
- das Gedächtnis
- die Reizbeantwortung
- die Herrschaft über die Triebansprüche
- die Verschiebung der Befriedigung auf günstige Zeiten und Umstände

Alle Aufgabe des Ichs lassen sich unter zwei Stichworten zusammenfassen, die nicht disjunkt trennbar sind: Aufgabe des Ichs ist die "Realtitätsprüfung" und die "Triebregulierung"

Das Über-Ich

Wie das Ich aus dem Es ensteht, so bildet sich aus dem Ich eine neue Instanz, das Über-Ich. In ihm setzt sich der elterliche Einfluss und die Tradition des Volkes, der Rasse, des Glaubens gleichsam in das Innere einer Person hinein fort.

"Ein Stück der Außenwelt ist als Objekt, wenigstens partiell, aufgegeben und dafür (durch Identifizierung) ins Ich aufgenommen, also ein Bestandteil der Innenwelt geworden. Diese neue psychische Instanz setzt die Funktion fort, die jene Personen der Außenwelt ausgeübt hatten, sie beobachtet das Ich, gibt ihm Befehle, richtet es und droht ihm mit Strafen, ganz wie die Eltern, deren Stelle es eingenommen hat. Wir heißen diese Instanz das Über-Ich, empfinden sie in ihren richterlichen Funktionen als unser Gewissen. Bemerkenswert bleibt es, dass das Über-Ich häufig eine Strenge entfaltet, zu der die realen Eltern nicht das Vorbild gegeben haben. Auch dass es das Ich nicht nur wegen seiner Taten zur Rechenschaft zieht, sondern ebenso wegen seiner Gedanken und unausgeführten Absichten, die ihm bekannt zu sein scheinen".

Die neue Instanz entsteht durch Kritik am Ich. Statt vom Über-Ich spricht Freud darum zuerst vom "Ich-Ideal". Erst später führt er den Terminus "Über-Ich" ein. Meist gibt er beiden Benennungen dieselbe Bedeutung, zuweilen verwendet er sie aber auch in verschiedenem Sinn.

Das Über-Ich hat drei Funktionen:

- Das Über-Ich ist Bedingung des Gewissens: Es gibt eine psychische Instanz, welche die Wirklichkeit des Ichs am Ich-Ideal misst - das Gewissen. Es präsentiert die internalisierten Normen der Eltern, überhaupt der Mitmenschen und der weiteren Öffentlichkeit. Funktion des Gewissens ist es, an diesem internalisierten Bild, dem "Ideal", das tatsächliche Verhalten des Ichs zu prüfen.

- Das Über-Ich ist die Bedingung der Verdrängung. Eine Verdrängung hat einen Grund in der Selbstachtung des Ichs. Der Mensch baut ein Ideal auf, an dem er sein aktuelles Ich misst. Weil aber das aktuelle Ich den Anforderungen des Über-Ichs oft nicht entspricht, das Ich aber aus Selbstachtung eine Übereinstimmung einfordert, wird der nicht entsprechende Teil ins Unbewusste verdrängt.

- Das Über-Ich als Bedingung der Sublimierung: Die Idealisierung, vorgenommen bei der Über-Ich- oder der Ideal-Bildung, betrifft die Beziehung zum eigenen Ich und die Beziehungen zu anderen Personen. Der Überschuss an seelischer Energie, der in den Beziehungen zum Ich und zu anderen Personen nicht  verbraucht wird, richtet sich auf neue Objekte: auf kulturelle, wissenschaftliche, moralische, religiöse Leistungen. Dieser Vorgang heißt Sublimierung.

Resümee zum Über-Ich: Das Über-Ich

- ist eine verselbstständigte Funktion des Ichs (das Ich unterstellt sich darum der Autorität des Über-Ichs),
- ist eine innere Instanz, die Gewissenfunktionen ausübt (das Ich-Ideal vorwiegend bewusst; das Über-Ich dagegen vorwiegend unbewusst, darum steht es dem Es nahe),
- ist Ersatz für die elterliche Autorität, somit fällt ihm eine relative Autonomie zu.

Beziehungen zwischen Es, Ich und Über-Ich

Das Ich vertritt die Gegenwart, das Es und das Über-Ich die Vergangenheit, das Es die organische, das Über-Ich die kulturelle Vergangenheit. Das Verhältnis zwischen Es, Ich, Über-Ich veranschaulicht Freud in dem Bilde, der Zwerg ich stehe zwischen dem Riesen Es und Über-Ich.

"Eine Handlung des Ichs ist dann korrekt, wenn sie gleichzeitig den Anforderungen des Es, des Über-Ichs und der Realität genügt, also deren Ansprüche miteinander zu versöhnen weiß"

Eine versöhnliche Übereinkunft zwischen den drei Instanzen ist die Ausnahme. Aus Konflikten zwischen ihnen können sich Neurosen entwickeln.



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